Von Tim Platner, Geschäftsführer der Legal Data Technology GmbH.
I. Das Urteil
Mit Urteil vom 15.01.2019, Az. 15 O 60/18, des Landgerichts Berlin wurde die Klage der Rechtsanwaltskammer Berlin weitestgehend für unbegründet erachtet. Beklagte war die mietright GmbH aus Berlin, die als Inkassodienstleister die Legal-Tech-Plattform “wenigermiete.de” unterhält, auf der Mieter auch Ansprüche im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse geltend machen können.
Die Rechtsanwaltskammer Berlin vertrat die Auffassung, dass das Geschäftsmodell nicht zuletzt gegen Vorschriften des UWG verstoße. Dem ist das Landgericht Berlin nicht gefolgt und sah sämtliche angebotene Dienstleistungen als von der Inkassolizenz umfasst.
Lediglich in einigen Teilaspekten gab das Landgericht Berlin der Klage statt. So dürfen die Geschäftsführer, die zugleich Rechtsanwälte sind, im Rahmen der Inkassotätigkeit keine anwaltlichen Versicherungen mehr abgeben. Weiterhin darf sich die Beklagte nicht mehr als “Rechtsdienstleistungsgesellschaft” bezeichnen, da Verbraucher hierunter eine Rechtsanwaltsgesellschaft verstünden. Dieser Auffassung kann jedoch nur schwerlich gefolgt werden, da das Rechtsdienstleistungsgesetz selbst von Rechtsdienstleistungen spricht.
II. Bewertung
1. Kein Verstoß gegen § 3 RDG
Das Urteil – wenngleich es sich um ein erstinstanzliches handelt – ist wegweisend für das fortdauernde Spannungsverhältnis zwischen Anwaltschaft und Legal-Tech-Unternehmen, die als Inkassodienstleister tätig sind. Denn die Ausübung von Gestaltungsrechten durch Inkassodienstleister, was nicht nur von uns als Verstoß gegen § 3 RDG gewertet wurde, ist vom Landgericht Berlin gebilligt worden.
Die Wettbewerbskammer beurteilt den Sachverhalt nämlich wie folgt:
Die vergleichende Analyse mit anderen Mietpreisen stellt lediglich eine vorbereitende Tätigkeit für den Abschluss des Inkassovertrages dar. Die gem. § 556g Abs. 2 BGB erforderliche qualifizierte Rüge wird als zulässiger Teil der Inkassotätigkeit verstanden. Zudem können auch zukünftige Forderungen an das Inkassounternehmen abgetreten werden, sodass selbst die Geltendmachung von Ansprüchen in Bezug auf die Mietpreisbremse kein Verstoß gegen § 3 RDG darstelle.
2. Gesetzlicher Regelungsbedarf?
Nicht zum ersten Mal wird im Konfliktfeld Anwalt zu Legal-Tech-Inkassodienstleister ein gesetzgeberisches Handeln für notwendig erachtet. Allerdings unterscheiden sich Art und Umfang der geforderten Regulierungen beträchtlich.
Dabei stellt sich auch in diesem Fall die Frage, weshalb eine gesetzgeberische Regulierung notwendig ist.
Man kann sicherlich mit der Auffassung von Herrn Prof. Dr. Christian Wolf im LTO eine Prüfung von Interessenkollisionen für vertretbar erachten, wobei die Notwendigkeit einer zusätzlichen Regelung vor dem Hintergrund des § 4 RDG genau zu prüfen sein dürfte.
Die ebenfalls im LTO von Prof. Dr. Völker Römermann in diesem Zusammenhang vertretene Forderung, es seien die Algorithmen der Legal-Tech-Unternehmen dem Bundesamt für Justiz offenzulegen, entbehrt hingegen jegliche Rechtfertigung.
Es ist schon nicht einzusehen, mit welcher Notwendigkeit die Offenlegung erfolgen soll, welcher Zweck damit verfolgt und welche Ziele damit erreicht werden sollen.
Sollte an dieser Idee festgehalten werden, wird dies nur zu einem Ergebnis führen: steuerzahlende, innovative Unternehmen “Made in Germany” werden in das EU-Ausland abwandern, um nicht den Schlüssel ihrer Geschäftsmodelle, die Algorithmen, Behörden offenlegen zu müssen, deren Verständnis von Datenschutz und Vertraulichkeit mit wenigen Ausnahmen bedenklich ist. Das BMJV fordert auch nicht Facebook, WhatsApp oder Google auf, seine Algorithmen oder Coca Cola seine Geheimrezeptur offenzulegen.
Weshalb wiederum Legal-Tech-Unternehmen, deren Produkte nachprüfbare Ergebnisse liefern, das Allerheiligste offenbaren sollen, kann fast nur mit fachlicher Unwissenheit erklärt werden.
III. Abwarten
Das Urteil ist ein erster Zwischenstand der Rechtsprechung zu dem für sie gänzlich neuartigen Thema “Legal Tech”. Es wird sich nicht zuletzt im Rahmen weiterer Urteile noch zeigen, ob auch die Rechtsprechung gesetzgeberische Korrekturen für angezeigt hält, um unbillige Ergebnisse zu korrigieren oder ob – wie so häufig – bei konsequenter Rechtsanwendung unbillige Ergebnisse erst gar nicht entstehen.