Astrid Jatzkowski stellt in Ihrem Beitrag in JUVE einen wichtigen Aspekt der Digitalisierung und der Praxisanwendung von Legal Tech dar: das Lastenheft der Anwender.
Die Begeisterung für Software, die den Arbeitsalltag einfacher gestaltet, Zeit und Geld spart und Freiräume für Anwender schafft, ist nachvollziehbar.
Wie Jatzkowski jedoch zu Recht herausstellt, ist für den als selbstverständlich vorausgesetzten Erfolg von Legal Tech Software aber echte Grundlagenarbeit zu leisten.
Denn schöner, schneller, einfacher setzt voraus zu wissen, welche Faktoren die Arbeitsprozesse kompliziert, zeitaufwändig und langsam werden lassen. Ein ineffizienter Arbeitsprozess wird nicht effizienter, nur weil dieser durch effiziente Software unterstützt wird. Er wird höchstens schneller als vorher erledigt.
Zudem stellt sich die essenzielle Frage, was überhaupt “smart” gemacht werden muss, kann und soll, wenn es keine detaillierten Zahlen über die eigenen Arbeitsprozesse gibt, anhand derer man das Einsparpotential erkennen kann.
Und an diesem Punkt wird es spannend: Jatzkowski setzt dem von ihr als “Mythos” bezeichneten Einwand, dass sich die höchst individuelle Rechtsberatung nicht mittels standardisierter Kennzahlen beurteilen lasse, die in Rechtsabteilungen weit verbreitete Legal-Operations-Analyse und einschlägige Spezialisten entgegen.
Dem dürfte zuzustimmen sein. Denn derartige Analysen sind weder neu noch in weiten Teilen der freien Wirtschaft unüblich. Weshalb die Rechtsberatung einen herausragender Ausnahmefall darstellen soll, ist nicht in Gänze nachvollziehbar, denn auch andere Anwender sehen sich im unerwartet komplexen oder aufwändigen Prozessen ausgesetzt. Nur beispielhaft sei das im IT- und Kundenservice etablierte “Escalation Management” genannt, um strukturiert auf unerwartete Problem reagieren zu können. Dass dies bei Rechtsdienstleistungen nicht gelingen können soll, ist nur schwerlich nachzuvollziehen.
Und trotz aller berechtigter Kritik: selbst die Justizbehörden quantifizieren ihre Tätigkeiten mittels PEBB§Y. Das dürfte den deutlich flexibleren Rechtsabteilungen und sonstigen Rechtsdienstleistern dann erst recht gelingen.
Das Credo muss deshalb lauten: Analyse vor Algorithmus.