Deutschland braucht eine Unmet-Legal-Needs-Studie
Cord Brügmann, vormals Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltverein, stellt in seinem Gastbeitrag in der LTO mit genialer Einfachheit die Notwendigkeit einer “Unmet-Legal-Needs-Studie” dar. Ein Kommentar von Tim Platner, Geschäftsführer der Legal Data Technology GmbH.
Wenn mit fast fanatischem Eifer für die eigene Position gefochten wird, können empirisch gesicherte Argumente eine geradezu erfrischende wie willkommene Abwechslung darstellen. Im Legal Tech Bereich ist es die teilweise religiös geführte Diskussion über Legal-Tech-Geschäftsmodelle, die sich auf die Inkassolizenz, § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG, berufen oder zurückziehen, je nach Auffassung.
Von Befürwortern einer Öffnung des Rechtsdienstleistungsmarktes für Legal-Tech-Unternehmen wird der erleichterte Zugang zu Rechtsdienstleistungen und die damit verbundene Stärkung der Position des Bürgers als mündiger Teil innerhalb unseres Rechtsstaats angeführt. Dem ansonsten an der Wahrnehmung eigener Rechte gehemmte oder gar gehinderte Bürger dürfe nicht der erleichterte Zugang zu technologisch fundierten Rechtsdienstleistungen verwehrt verbleiben, notfalls auch auf Kosten bestehender Regulierungen.
Auf Seite der Berufsinteressenvertreter wird hingegen vorgebracht, die Erbringung von Rechtsdienstleistungen soll und muss den besser qualifizierten Volljuristen vorbehalten bleiben, würde doch andernfalls das Niveau der Rechtsberatungen den Interessen des Rechtsratsuchenden zuwiderlaufen.
Beiden Argumentationen immanent ist dabei das Unterstellen von Tatsachen, damit das jeweilige Argument überhaupt verfangen kann. Damit erschöpft sich gleichzeitig der jeweilige Vortrag in Thesen und Behauptungen, die man für mehr oder weniger nachvollziehbar halten und diese damit im besten Fall als schlüssig bezeichnen kann.
Um diese – prozessual gesprochen – Beweisnot zu überwinden, wären Fakten erforderlich, die eine Unmet-Legal-Needs-Studie (zu deutsch etwa: “Studie über unerreichte Erfordernisse im Rechtssektor”) liefern könnte. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse könnten die jeweiligen Hypothesen überprüft und korrigiert werden, um so zu einer faktenbasierten Annäherung beider Seiten und gleichzeitig zu einer sachgerechten Regulierung des status quo zu gelangen.
Ob und wann es zu einer solchen Studie durch das BMJV kommen könnte, ist jedoch mehr als ungewiss. In der aktuellen Legislaturperiode geht Brügmann jedenfalls nicht aus.