LTO: Legal Tech und das RDG

[vc_row][vc_column css=”.vc_custom_1551730528056{border-radius: 15px !important;}”][vc_column_text]von Tim Platner, Geschäftsführer der Legal Data Technology GmbH

 

Im Legal Tribune Online schreibt Dr. Philipp Hammerich über das Verhältnis von Legal Tech und RDG (Rechtdienstleistungsgesetz). Er selbst ist Geschäftsführer einer Legal Tech-Kanzlei und eines Legal-Tech-Unternehmens.

 

I. Vorab

In Deutschland müssen dezidierte Qualifikationen, um Rechtsdienstleistungen erbringen zu können, nachgewiesen werden, um:

die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen.
– § 1 Abs. 1 S. 2 RDG

Rechtsdienstleister sind primär die über 165.000 in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte. Daneben fallen aber auch Inkassodienstleister und einige weitere Dienstleister unter die Vorschriften des RDG.

 

II. Analyse

In seinem Beitrag stellt Dr. Hammerich die im Zusammenhang mit dem RDG bestehenden, rechtlichen Probleme der praktischen Umsetzung von Legal Tech dar:

 

1.  Legal Tech – Plattformen vs. Rechtsanwälte 

Plattformen, die nicht lediglich der Vermittlung von Rechtsdienstleistern (bspw. anwalt.de) dienen, sondern als Inkassounternehmen selbstständig eine Rechtsdienstleistung durch die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen anbieten, unterliegen dem RDG, nicht aber den strengeren standesrechtlichen Regelungen der BRAO.

So unterliegen Rechtsanwälte gem. § 49b BRAO einem Provisionsverbot, einem Fremdfinanzierungsverbot sowie dem grundsätzlichen Verbot, Mandanten von Prozesskosten freizustellen.

Legal-Tech-Plattformen wie flightright unterliegen derartigen Einschränkungen hingegen nicht, sodass es zu einem nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsnachteil der (besser qualifizierten) Rechtsanwälte gegenüber Inkassodienstleistern käme.

 

2. Vereinbarkeit von Legal-Tech-Plattformen mit dem RDG
a) Verstoß gegen § 4 RDG?

Dr. Hammerich schneidet kurz die Frage an, ob derartige Plattformen gegen § 4 RDG verstoßen.

§ 4 RDG lautet:

“Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, dürfen nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird.”

Als Fallspiel wird die Kombination aus Prozessfinanzierter und Inkassounternehmen genannt. Wenngleich in derartigen Konstellationen Interessenkollisionen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden können, erscheint dies umgekehrt aber auch nicht grundsätzlich problematisch und dürfte vielmehr einer jeweiligen Einzelfallbetrachtung zu unterziehen sein, insbesondere dahingehend, ob finanzielle Abhängigkeiten beispielsweise durch (wechselseitige) Gesellschaftsbeteiligungen bestehen.

 

b) Ausübung von Gestaltungsrechten durch Inkassodienstleister?

Zuzustimmen dürfte Herrn Dr. Hammerich jedoch im Hinblick auf die gesetzliche Unvereinbarkeit der Ausübung von Gestaltungsrechten durch Legal-Tech-Plattformen sein.

§ 2 Abs. 2 RDG definiert die Inkassodienstleistung als

“Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung)”.

Voraussetzung für die Inkassotätigkeit ist damit das Bestehen einer (Geld-)Forderung. Legal-Tech-Plattformen, die dem Widerruf von Lebensversicherungsverträgen oder der Durchsetzung der Mietpreisbremse dienen, wären vom Inkassodienstleisterbegriff damit nicht mehr umfasst (vgl. RA Dr. Remmertz in BRAK 05/17, S. 223). Die Forderung entsteht nämlich erst mit Ausübung des Gestaltungsrechts, Inkassodienstleister können bzw. dürfen jedoch nur bei bereits entstandenen Forderungen tätig werden.

Die Anzahl der davon umfassten Legal-Tech-Plattformen dürfte sich jedoch – aktuell – in überschaubaren Grenzen halten.

 

3. Notwendigkeit rechtlicher Änderungen?

Um die aus Wettbewerbsgesichtspunkten seiner Meinung nach nachteilige Ungleichbehandlung von Rechtsanwälten zu korrigieren, schlägt Dr. Hammerich zwei Möglichkeiten vor:

Entweder Legal-Tech-Unternehmen werden stärker reguliert oder Rechtsanwälten wird eine partielle Lockerung der vorrangig berufsrechtlichen Vorschriften und Verbote ermöglicht. Notwendig sei damit eine Einebnung und Nivellierung bestehender Unterschiede, um Rechtsanwälte wettbewerbsfähig zu machen.

Nun ist der Ruf nach Gesetzesänderungen fast reflexhaft um die als unhaltbar empfundenen Ungerechtigkeiten zu korrigieren. Dabei ist – wie so häufig – die Heranziehung legislativer Schaffenskraft bei nüchterner und objektiver Betrachtung nicht notwendig.

Legal-Tech-Plattformen, die der Geltendmachung von bestehenden Geldforderungen dienen, erfüllen den ureigenen und in § 2 Abs. 2 RDG gesetzlich verankerten definierten Zweck von Inkassodienstleistern. Dass die Legal-Tech-Plattformen derartige Inkassoleistungen besonders einfach und bequem anbieten und damit einen stärkeren Anreiz für die Inanspruchnahme ihrer Tätigkeiten setzen, ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Inkassodienstleistern, denen die Inanspruchnahme derartige Technik ebenso freisteht, nicht aber ein Wettbewerbsnachteil von Rechtsanwälten.

Denn jeder Jurastudent lernt, dass eine Ungleichbehandlung nur vorliegen kann, wenn Gleiches ungleich behandelt wird, nicht aber wenn Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird.

Soweit vom Autor angeführt wird, dass Rechtsanwaltsgesellschaften aufgrund des Fremdfinanzierungsverbots keine reinen Kapitalbeteiligungen an ihrer Gesellschaft ermöglichen dürfen und damit das für die Entwicklung derartiger Software notwendige Kapital nicht aufbringen können, verweist der Autor selbst auf die auch von ihm praktizierte Lösung des Problems: ein gesondertes Unternehmen für die Entwicklung derartiger Legal-Tech-Produkte zu gründen. Mit dieser wäre ein Rechtsanwalt genauso wettbewerbsfähig wie die Legal-Tech-Inkassodienstleister, weil er ein solches Unternehmen ebenfalls unterhalten kann.

Ein Korrekturbedürfnis bestünde erst dann, wenn Rechtsanwälten das Betreiben eines Legal-Tech-Inkassodienstes verboten wäre. Auch diesen Gesichtspunkten ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb der status quo einer gesetzlichen Korrektur bedarf.

Im Übrigen verbleibt für Rechtsanwälte ein von Legal-Tech-Inkassodienstleistern unangetasteter weiter Bereich: die gerichtliche Durchsetzung der Forderungen sowie die (noch) nicht automatisierten bzw. nicht automatisierbaren Mandate.

Zudem darf nicht verkannt werden, dass Rechtsanwälte auch von Legal-Tech-Inkassodiensten profitieren: So wird ihnen die gerichtliche Durchsetzung ohne eigenen Forderungsausfall angetragen, die sie andernfalls durch kostenscheue Verbraucher nicht erhalten hätten.

 

III. Viel Aufregung um nichts?

Dem Autor ist zuzustimmen, dass Legal-Tech-Unternehmen, die Gestaltungsrechte ausüben, gegen § 3 RDG verstoßen. Ein Verstoß gegen § 4 RDG kann bei Legal-Tech-Plattformen nicht grundsätzlich angenommen werden, vielmehr ist der Einzelfall zu prüfen.

Eine abweichende Auffassung wird jedoch hingegen hinsichtlich des rechtlichen Regelungsbedarfs zur Wettbewerbsstärkung von Rechtsanwälten gegenüber Legal-Tech-Plattformen vertreten. Es handelt sich hierbei unbestreitbar um Konkurrenz in Form von Inkassodienstleistern, die auch vorher schon bestanden hat. Eine Korrektur wird deshalb nicht als notwendig erachtet.

 

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