Wenn die Subventionsstrafbarkeit zum Massendelikt wird – direkte Zuschüsse im Rahmen der Corona-Hilfsprogramme

Corona Zuschuss Subventionsbetrug

Ein Denkimpuls fernab unseres Kerngeschäfts.

Die Freude von Startups und KMUs war erwartungsgemäß groß, als im politischen Eiltempo die direkten, rückzahlungsfreien Zuschüsse von 9.000,00€ bis zu 25.000,00€ aufgelegt worden sind, überbrücken sie in vielen Fällen, wie beabsichtigt, nicht nur den wirtschaftlichen Fortbestand kleiner und junger Unternehmen sondern auch die Existenzgrundlage der mutigen Gründerinnen und Gründer. 

Dabei könnte man die Realisierungsschwierigkeiten in einigen Bundesländern, den kriminalitätsbedingten Antrags- und Auszahlungsstopp in NRW oder die, dem Zeitdruck und der wirtschaftlichen Not der betroffenen Unternehmen geschuldete Inkaufnahme von missbräuchlichen Anträgen durch die Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf eine Plausiblitätsprüfung anführen. 

Diese bereits mehrfach erörterten Themen seien an der Stelle jedoch einmal ausgeklammert. Stattdessen möchte ich auf einen Aspekt hinweisen, der in den kommenden Jahren noch zu einer Flut an Ermittlungsverfahren führen dürfte: 

den Subventionsbetrug (§ 264 StGB)

Wenn man mit – redlichen – Unternehmern und Selbstständigen spricht, die diese direkten Zuschüsse beantragt und ausgezahlt bekommen haben, gewinnt man stellenweise den Eindruck, dass vereinzelt die eigene wirtschaftliche Situation zur „Erfüllung“ der Antragsvoraussetzungen unbewusst oder bewusst an der Grenze zur Sachverhaltsquetsche dargestellt worden ist. 

Ich habe jetzt bereits mehrfach die Begründung „haben ist besser als brauchen“ mit dem Zusatz „wenn ich es nicht brauche, zahle ich das Geld einfach wieder zurück“ gehört, ggfs. ergänzt mit einer Rückstellung des Zuschusses. 

Das Problem – die Antragsvoraussetzungen 

Bei den direkten Zuschüssen im Rahmen der Corona-Soforthilfe gibt es mehrere, strafrechtlich problematische Umstände: 

Ein Problem ist die mediale Rezeption der Corona-Soforthilfen, die – auch in den Social-Media-Posts der jeweils zuständigen Ministerien / Banken – stellenweise den Eindruck einer fast voraussetzungslosen Finanzspritze glich. 

Einwenden kann man natürlich, dass diese fast werbliche und dem jeweiligen Medium geschuldete Verkürzung und Verdichtung der Informationen nicht von der Prüfung der Antragsvoraussetzungen bei Antragstellung entbinden. 

Dabei ist jedoch – wohl ebenfalls dem Zeitdruck geschuldet – zu berücksichtigen, dass sich die Antragsvoraussetzungen wenig nachvollziehbar und insbesondere ohne Darstellung einer Revisionshistorie dynamisch änderten, wenngleich wohl – so zumindest die Erkenntnisse des Autors – zugunsten des Antragstellers. 

Ist man bei den Antragsvoraussetzungen angekommen, sieht sich der redliche Antragsteller mit der nächsten Herausforderung konfrontiert: die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „Finanzierungsengpasses“, sollten die anderweitigen Voraussetzungen nicht bzw. noch nicht einschlägig sein. 

Welche Voraussetzungen an einen Finanzierungsengpass zu stellen sind, wieviel Rücklagen maximal noch vorhanden sein dürfen, ggfs. gemessen an der Burnrate, welche Rücklagen eingestellt werden müssen, die ggfs. zum Wiederaufbau des Geschäftsbetriebs erforderlich sind uvm., wird nicht deutlich. 

Eine Anfrage bei der hiesigen Industrie- und Handelskammer ergab, dass in Ermangelung einer weitergehenden Konkretisierung durch – in NRW – das Wirtschaftsministerium wiederum keine Konkretisierungen mitgeteilt werden können. 

Dann verbleibt es bei einer unternehmerischen Einschätzungsprärogative, ob ein – nicht weiter ausgeführter – Finanzierungsengpass überhaupt vorliegt. 

Die Konsequenz – Subventionsbetrug

Die laienhafte Vorstellung, dass die Rückstellung und in letzter Konsequenz Rückzahlung zu einer Sanktionslosigkeit führe, wäre in jedem anderen Lebensbereich als abwegig zu bezeichnen. 

Bereits im Rahmen der allgemeinen Betrugsstrafbarkeit sind derartige Erwägungen erfolglos versucht worden anzuführen. Dort geht es dann um die Frage des Vermögensschadens, der im Rahmen der Betrugsstrafbarkeit (§ 263 StGB) vorliegen muss. 

Bei Subventionen erfolgt zumeist eine – mehr oder minder gründliche – Prüfung der Anträge, sodass Betrugsversuche im besten Fall durch wachsame Beamte entdeckt und verhindert werden können. Deshalb hat der Gesetzgeber den Subventionsbetrug eingeführt, der gerade keinen Vermögensschaden voraussetzt. Die vollendete Betrugsstrafbarkeit wird dabei vorverlagert:

§ 264 Subventionsbetrug

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. einer für die Bewilligung einer Subvention zuständigen Behörde oder einer anderen in das Subventionsverfahren eingeschalteten Stelle oder Person (Subventionsgeber) über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder den anderen vorteilhaft sind,

2. einen Gegenstand oder eine Geldleistung, deren Verwendung durch Rechtsvorschriften oder durch den Subventionsgeber im Hinblick auf eine Subvention beschränkt ist, entgegen der Verwendungsbeschränkung verwendet,

3. den Subventionsgeber entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventionsvergabe über subventionserhebliche Tatsachen in Unkenntnis läßt oder

4. in einem Subventionsverfahren eine durch unrichtige oder unvollständige Angaben erlangte Bescheinigung über eine Subventionsberechtigung oder über subventionserhebliche Tatsachen gebraucht.

[…]

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 leichtfertig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Nach den Absätzen 1 und 5 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die Subvention gewährt wird. Wird die Subvention ohne Zutun des Täters nicht gewährt, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Gewähren der Subvention zu verhindern.

(8) Subvention im Sinne dieser Vorschrift ist

1. eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil

a) ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und

b) der Förderung der Wirtschaft dienen soll;

[…]

(9) Subventionserheblich im Sinne des Absatzes 1 sind Tatsachen,

1. die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind oder

2. von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich oder nach dem Subventionsvertrag abhängig ist.

Vereinfacht reicht es also aus, wenn bei der Beantragung der direkten Zuschüsse über die subventionserheblichen Umstände – also die Liquiditätsengpasse etc. – unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind. Dabei dürfte insbesondere beim Rechtsbegriff des „Finanzierungsengpasses“ dem Unternehmer ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen sein, gleichwohl ist dieser – wie auch bei der Untreue-Strafbarkeit – keinesfalls grenzenlos. 

Damit dürfte auch verständlich werden weshalb die gut gemeinte Rückstellung des – offensichtlich dann auch nicht benötigten – Zuschusses keinesfalls vor der Strafbarkeit schützt. 

Die Ermittlungswelle – Finanzämter an vorderster Front 

Ein Grundsätz dürfte für fast alle Zahlungsverpflichtungen zwischen Staat und Bürger gelten: der Staat kämpft um jeden Cent. 

Bereits jetzt weist die Website des Wirtschaftsministeriums NRW aus: 

„Um sicherzustellen, dass die NRW-Soforthilfe nun zügig ankommt, erfolgt routinemäßig ein Abgleich der Daten mit der Finanzverwaltung. Dazu müssen Antragsteller im Antragsformular eine dem Finanzamt bekannte Bankverbindung angeben.“

Was als Lösung Zugunsten des Antragstellers formuliert ist, gilt selbstredend auch für die weitergehende Überprüfung zu Lasten des Antragstellers durch das Finanzamt. 

Dabei gelten die allgemeinen Irrtumsgrundsätze des Strafrechts auch hinsichtlich des Subventionsbetruges. Der Mangel an Unrechtsbewusstsein lässt die Strafbarkeit nicht entfallen. Vor dem Hintergrund, dass bereits am ersten Wochenende zehntausende Bewilligungsbescheide ergangen sind, dürfte die Aufarbeitung in den nächsten Jahren durch Finanzämter und Staatsanwaltschaften zu eine Vielzahl an Ermittlungsverfahren führen. 

Inwieweit hier kriminalpolitische Erwägungen das Ergebnis der Verfahren beeinflussen werden – hat doch der Subventionsbetrug typischerweise ein anderes Täterklientel im Blick – kann jetzt noch nicht abgesehen werden. An der Einleitung der Ermittlungsverfahren ändert dies ohnehin nichts.

Der Autor, Tim Platner, ist Geschäftsführer der Legal Data Technology GmbH und Mitglied der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V

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